Wie viel Gift verträgt die Welt? | 42 — Die Antwort auf fast alles
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Entdecke die verborgene Welt der Giftstoffe, die uns täglich umgeben! Von historischen Vergiftungsfällen bis zu modernen Umweltkatastrophen – wie beeinflussen die über 350.000 bekannten Chemikalien unsere Gesundheit und den Planeten? Welche Rolle spielst Du selbst im Kampf gegen die schleichende Vergiftung unserer Welt? Eine faszinierende Reise durch die Wissenschaft der Toxikologie und die Hoffnung auf eine giftfreiere Zukunft.
Kerninhalte
- Stündlich werden etwa 50 neue Chemikalien entdeckt, doch nur 20–30% aller bekannten Substanzen sind hinsichtlich ihrer Toxizität bewertet
- Selbst in winzigen Konzentrationen können Chemikalien wie das Hormon Ethylestradiol verheerende Auswirkungen auf Ökosysteme haben, beispielsweise durch die Feminisierung männlicher Fische
- Persistente Schadstoffe wie DDT reichern sich in der Nahrungskette an und sind selbst Jahrzehnte nach ihrem Verbot noch nachweisbar
- Das europäische REACH-Programm versucht, chemische Stoffe systematisch zu registrieren und zu bewerten, um Mensch und Umwelt besser zu schützen
Analyse und Gedanken
- Die Ambivalenz der Chemie zeigt sich in nützlichen Erfindungen, die gleichzeitig schwerwiegende Nebenwirkungen für Mensch und Umwelt haben können
- Soziale Ungleichheit spiegelt sich in der Giftbelastung wider: Ärmere und marginalisierte Gemeinschaften sind oft am stärksten von Umweltgiften betroffen
- Technologische Fortschritte in der Analytik ermöglichen heute eine bessere Überwachung von Chemikalien, doch der globale Handel erschwert einheitliche Regulierungen
- Citizen Science-Projekte geben betroffenen Gemeinschaften die Möglichkeit, ihre eigene Umwelt zu überwachen und sich gegen Umweltverschmutzung zu wehren
Fazit
Die Herausforderung, unseren Planeten von Giftstoffen zu befreien, erscheint nahezu unmöglich, doch durch wissenschaftliche Innovation, internationale Zusammenarbeit und Bürgerbeteiligung können wir zumindest einen nachhaltigeren Umgang mit Chemikalien erreichen.
Giftstoffe in unserer Umwelt (00:04)
Die allgegenwärtige Präsenz von Giftstoffen in unserem Alltag wird thematisiert, beginnend mit einem historischen Rückblick auf die Verwendung von Gift durch Frauen. Besonders besorgniserregend ist die zunehmende Anreicherung von Schadstoffen in der Natur, die langfristig schwerwiegende Konsequenzen für Ökosysteme und die menschliche Gesundheit haben kann. Wissenschaftler haben daher planetare Belastungsgrenzen definiert, deren Überschreitung das globale System gefährden könnte. Die Komplexität der Giftproblematik wird durch die Vielzahl an täglich verwendeten Chemikalien verdeutlicht, deren langfristige Auswirkungen oft unbekannt bleiben.
Die Flut neuer Chemikalien (03:57)
Die rasante Zunahme neuer Chemikalien stellt eine enorme Herausforderung für Wissenschaft und Umweltschutz dar. Etwa 50 neue Substanzen werden stündlich entdeckt und charakterisiert, was die schiere Vielfalt und Menge an potenziell gefährlichen Stoffen verdeutlicht. Besonders alarmierend ist die Tatsache, dass nur 20 bis 30 Prozent der bekannten Chemikalien hinsichtlich ihrer Toxizität bewertet wurden, während die Wirkung der restlichen 70 Prozent weitgehend unbekannt bleibt. Am Beispiel des Arsens wird veranschaulicht, wie Giftstoffe entdeckt wurden und welche verheerenden Folgen ihre unerkannte Verwendung haben kann. Die Geschichte zeigt, dass viele heute als gefährlich bekannte Substanzen früher unwissentlich im Alltag genutzt wurden.
Historische Vergiftungsfälle (07:55)
Tragische Vergiftungsfälle aus der Geschichte verdeutlichen die Gefährlichkeit bestimmter Chemikalien. Kinder erlitten schwere Vergiftungen durch giftiges Spielzeug, während eine Hutmacherin durch das Bemalen von Blumen mit der giftigen Farbe Schweinfurter Grün den Tod fand. Die Toxizität einer Substanz hängt dabei stark von ihrer Wechselwirkung mit dem jeweiligen Organismus ab, was die Bewertung ihrer Gefährlichkeit zusätzlich erschwert. Ein Meilenstein in der Toxikologie war die Entwicklung des Marsh-Tests durch den Chemiker James Marsh, der erstmals einen zuverlässigen Nachweis für Arsenvergiftungen ermöglichte. Diese Entdeckung stellte einen direkten Zusammenhang zwischen bestimmten Krankheitssymptomen und der Vergiftung durch spezifische Substanzen her.
Hormone im Abwasser (11:53)
Die schädliche Wirkung künstlicher Hormone wie Ethylestradiol auf aquatische Ökosysteme zeigt, wie selbst kleinste Konzentrationen von Chemikalien gravierende Folgen haben können. Dieses synthetische Hormon, das in vielen Verhütungsmitteln enthalten ist, gelangt über Abwässer in Gewässer und führt dort zur Feminisierung männlicher Fische, was langfristig ganze Populationen bedroht. Die Herausforderung besteht darin, solche Substanzen effektiv aus dem Abwasser zu filtern, was mit herkömmlichen Kläranlagen kaum möglich ist. Dieser Fall verdeutlicht die Ambivalenz der Chemie: Einerseits bringen Innovationen wie die Antibabypille gesellschaftlichen Nutzen, andererseits können sie unbeabsichtigte ökologische Schäden verursachen.
Pestizide und ihre Folgen (15:53)
Die verheerenden Auswirkungen von Pestiziden auf Umwelt und Gesundheit werden am Beispiel von DDT und Agent Orange dargestellt. Rachel Carson, die mit ihrem Buch “Silent Spring” als Begründerin der modernen Umweltbewegung gilt, machte bereits in den 1960er Jahren auf die Gefahren von Insektiziden aufmerksam. DDT steht exemplarisch für persistente organische Schadstoffe, die sich in der Nahrungskette anreichern und selbst Jahrzehnte nach ihrem Verbot noch nachweisbar sind. Besonders dramatisch sind die Folgen des Entlaubungsmittels Agent Orange, das während des Vietnamkriegs großflächig versprüht wurde und bis heute zu schweren Erkrankungen und Missbildungen führt. Diese Beispiele zeigen, wie langfristig und weitreichend die Folgen chemischer Eingriffe in die Umwelt sein können.
Fortschritte in der Chemieanalytik (19:47)
Moderne Analysemethoden revolutionieren die Überwachung von Umweltchemikalien und ermöglichen präzisere Risikobewertungen. Statt einzelne Substanzen isoliert zu betrachten, werden heute ganze Chemikaliengruppen analysiert, was eine umfassendere Entscheidungsfindung im Umweltschutz ermöglicht. Ein wichtiger Fortschritt ist das europäische REACH-Programm, das die systematische Registrierung und Bewertung chemischer Stoffe regelt, um Mensch und Umwelt besser zu schützen. Dennoch bleibt die globale Dimension des Problems eine Herausforderung, da der internationale Handel dazu führt, dass Chemikalien weltweit angewendet werden – oft auch in Regionen mit weniger strengen Umweltauflagen. Die Datenmengen, die bei der Analyse anfallen, erfordern zudem neue Ansätze in der Informationsverarbeitung.
Citizen Science und soziale Gerechtigkeit (23:47)
Die Exposition gegenüber Umweltgiften ist auch eine Frage sozialer Gerechtigkeit, da ärmere und marginalisierte Gemeinschaften oft am stärksten betroffen sind. Besonders deutlich wird dies bei Pflanzenschutzmitteln, deren Zulassung zwischen verschiedenen Regionen stark variiert, was zu ungleichen Gesundheitsrisiken führt. Um dieses Machtgefälle auszugleichen, gewinnt Citizen Science zunehmend an Bedeutung – ein Ansatz, bei dem betroffene Gemeinschaften selbst Daten über Umweltgifte in ihrer Umgebung sammeln und auswerten. Diese Form der Bürgerbeteiligung ermöglicht es benachteiligten Gruppen, ihre eigene Umwelt zu überwachen und sich gegen Verschmutzung zu wehren. Trotz aller Bemühungen bleibt die vollständige Reinigung des Planeten von Giftstoffen jedoch eine nahezu unmögliche Aufgabe, was die Notwendigkeit eines nachhaltigeren Umgangs mit Chemikalien unterstreicht.
Chemie macht unsere Pullover weicher, unsere Welt bunter und angenehmer und sie kann sogar Leben retten. Die Kehrseite: Wir haben inzwischen so viele giftige Chemikalien freigesetzt, dass wir unser Ökosystem existentiell geschädigt haben. Und diese Substanzen werden immer mehr. Wo sind die Belastungsgrenzen unserer Erde und wie kriegen wir das Gift in den Griff?
Medizin, Düngemittel, Weichmacher und Kunststoffe sind nur ein paar Beispiele, wie Chemie unser Leben besser macht. Sie rettet uns vor Krankheiten, an denen Menschen früher gestorben sind, und sorgt dafür, dass die meisten Menschen nicht verhungern. Aber das hat seinen Preis. Denn seit Jahrzehnten vergiften wir mit den „Nebenwirkungen“ den Planeten und uns selbst. So stark, dass sich die Erde nicht mehr selbst erholen kann. Können wir den Schaden wiedergutmachen? Können wir unsere Erde entgiften?
Schon die Gifte zu identifizieren, ist nicht einfach. Viele Substanzen werden erst durch das Zusammenspiel mit anderen richtig giftig und wir wissen zum Teil gar nicht, welche Substanzen überhaupt freigesetzt wurden. Außerdem ist die Chemieindustrie schneller im Herstellen neuer Substanzen als die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen im Erforschen, wie schädlich diese Stoffe für die Umwelt sind.
Ein weiteres Problem: Gift hält sich nicht an Ländergrenzen. Es ist eine globale Herausforderung, die nur durch internationale Abkommen zu meistern ist. Doch verständigen sich Staaten auf Obergrenze und Verbote bestimmter giftiger Stoffe, hat die Industrie bis zum Inkrafttreten der Abkommen Unmengen von neuen chemischen Ersatzstoffen produziert. Also werden wir das Problem durch Kontrolle und Gesetzen allein nicht lösen. Wie dann? Einige Ideen kommen direkt aus den Laboren, in denen die Gifte erfunden werden. Andere Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen schlagen dagegen eine völlig neue Art des Forschens vor.
Wissenschafts-Dokureihe (D 2023, 25 Min)
#gift #chemie #wissenschaft
Video verfügbar bis zum 20/05/2026
Link zur Mediathek: https://www.arte.tv/de/videos/109816–001‑A/wie-viel-gift-vertraegt-die-welt/
Quellen und weiterführende Links:
Planetare Belastungsgrenzen
Was sind die “planetaren Belastungsgrenzen”?
https://www.scinexx.de/news/geowissen/planetare-belastungsgrenze-fuer-schadstoffe-ueberschritten/
Die Studie:
https://pubs.acs.org/doi/10.1021/acs.est.1c04158
Farben und Gift
Ein kleiner Überblick (Weiss, Grün, Orange)
https://blog.colornavigator.net/dangerous-colors
Die dunkle Seite von Bleiweiß
http://www.farbimpulse.de/Weisse-Farbe-mit-dunklen-Seiten.bleiwei.0.html
Das Scheele Grün
https://www.seilnacht.com/Lexikon/schweinf.html
Tapeten mit Scheelem Grün
https://www.baublatt.ch/baupraxis/buchtipp-gefaehrlich-schoen-der-tapeten-gruener-todeshauch-24750
Schweinfurter Grün
https://www.dguv.de/medien/ifa/de/pub/grl/pdf/2019_017.pdf
https://www.chemie.de/lexikon/Schweinfurter_Grn.html
Rachel Carson und die Ökotoxikologie
Radiobeitrag von Deutschlandfunk zu 60 Jahren “Der Stumme Frühling”
https://www.deutschlandfunk.de/rachel-carson-stumme-fruehling-ddt-100.html
https://www.rachelcarson.org/
https://sns.uba.de/umthes/de/concepts/_00018519.html
Citizen Science
Kampf der Navajo gegen Umweltverschmutzung
https://www.yesmagazine.org/environment/2022/07/15/navajo-nation-citizen-science-pollution
Max Liboiron über Kolonialismus und Citizen Science
https://www.youtube.com/watch?v=PjfnVez4zVc
https://www.buergerschaffenwissen.de/
https://www.bmbf.de/bmbf/de/ueber-uns/wissenschaftskommunikation-und-buergerbeteiligung/buergerbeteiligung/citizen-science/citizen-science_node.html
https://www.citizen-science-germany.de/ https://eu-citizen.science/
Globale Abkommen für den Umgang mit Gift
Basler Übereinkommen: https://www.bmuv.de/gesetz/basler-uebereinkommen-ueber-die-kontrolle-der-grenzueberschreitenden-verbringung-gefaehrlicher-abfaelle-und-ihrer-entsorgung
Rotterdamer Übereinkommen
https://www.bmuv.de/themen/gesundheit-chemikalien/chemikalien/rotterdamer-uebereinkommen-pic
Antibabypille und andere Medikamente und ihre Wirkung auf die Umwelt
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/arzneistoffe-im-abwasser/
https://www.bmuv.de/richtig-entsorgen-wirkt/welche-auswirkungen-haben-medikamente-auf-die-umwelt/umweltauswirkungen-unterschiedlicher-medikamente
https://www.bund.net/fileadmin/user_upload_bund/publikationen/bund/position/position_arzneimittel.pdf
Medikamente, Hormone, Endokrine Disruptoren:
https://www.globalnature.org › bausteine.net
https://www.nationalgeographic.de/umwelt/2022/03/hormone-im-leitungswasser-deutsche-forscher-entwickeln-neues-filterverfahren
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Top 25 Kommentare
Auch Bisphenole sind viel zu kurz gekommen.
Da große Problem ist doch, das kein Hersteller vor dem Konsum eines bestimmten Produktes warnt, da es mit Ewigkeitsmaterialien kontaminiert ist.
Auch die Nano-Technologie ist noch nicht erforscht und es steht der Verdacht, dass diese Technologie die Hirn-Blut-Schranke überwinden kann.
Zu guter Letzt, haben wir unsere hauseigenen Problemreviere, wie Bitterfeld-Wolfen. Dort hat man es aufgegeben und seien wir uns bewusst im dortigen Silbersee ist kein Schatz verborgen.
Aber deswegen …trotzdem andere Ergebnisse erwarten.
Trotzdem danke für diese Doku! Besonders weil sie den Blickwinkel global setzt. Was notwendiger denn je ist. Wir haben ja nur diese eine Erde. (Der Mars kann aus verschiedenen Gründen nie ein brauchbarer Ersatz sein, auch wenn einige das uns offensichtlich weismachen wollen)
Leider zeichnet sich aber keine grundlegende Lösung für dieses gigantische Chemikalien-Problem ab. Hoffen kann man ja trotzdem…
Anyone?
In diesem Sinne