Gottschalk sagt adieu!
Am 25. November wird Thomas Gottschalk das letzte Mal die Sendung «Wetten, dass …?» moderieren. Dies bestätigte der 73-Jährige heute via Social Media, nachdem das Gerücht bereits in den Medien kursierte. «Die Zeit der grossen Live-Unterhaltung am Samstagabend ist einfach rum», lautet seine Begründung. Es sei jedoch nicht sein definitiver Abschied vom Fernsehen, gibt der Kultmoderator in der Bild-Zeitung Entwarnung.
Dass der Kronzeuge des deutschen Aufstiegswunders noch immer zu den interessantesten Menschen Deutschlands zählt, verdeutlicht sein Interview mit der Weltwoche Ende 2021. Damals sagte Gottschalk: «Ich habe manchmal das Gefühl, wir beide, Deutschland und ich, hätten die beste Zeit hinter uns.»
Die besten Zitate aus dem Weltwoche-Interview
Weltwoche: Herr Gottschalk, am 6. November moderieren Sie nochmals «Wetten, dass …?», die größte Fernsehshow Europas. Wissen Sie schon, wie Sie die Sendung eröffnen werden?
Gottschalk: Gerade war ich zwei Wochen auf den Seychellen. Dort ist mir ein tolles Opening eingefallen, das ich inzwischen leider vergessen habe. So war das immer. Ich gehe mit einer gewissen Wurstigkeit an die Sache ran, weil ich weiß: Irgendwas wird mir schon einfallen.
Weltwoche: Sie haben wirklich keine Ahnung, was Sie erzählen werden?
Gottschalk: Ich könnte Udo fragen, ob seine Haare am Hut hängen oder sein Hut an den Haaren. Solche Sprüche kommen spontan.
Weltwoche: Sie bräuchten eine echte Herausforderung, ein paar schwierige Gäste. Was würden Sie Greta Thunberg fragen?
Gottschalk: Komm, Greta, mach mal einen Klimawitz.
Weltwoche: Hätten Sie keine Sorge, als alter weißer Mann lächerlich gemacht zu werden?
Gottschalk: Ich bin ein alter weißer Mann, und mich lächerlich zu machen, gehört zum Beruf. Ich trage Klamotten wie in den Sechzigern und eine Frisur wie in den Siebzigern. Ich stehe auf Status Quo und glaube fest daran, dass die Welt grössere Probleme hat als eine Mohren-Apotheke. Nein, streicht die Mohren-Apotheke!
Weltwoche: Steuern wir auf die totale Humorlosigkeit zu, auf die befohlene Korrektheit?
Gottschalk: Es geht in die Richtung. Ich sehe mit einem gewissen Entsetzen, dass sich eine geniale Komödiantin wie Anke Engelke heute dafür entschuldigt, früher mal chinesische Frauen nachgemacht zu haben.
Weltwoche: Humor als Ernstfall, das Prinzip Böhmermann.
Gottschalk: Seine Verarsche der Klatschpresse fand ich genial. «Burda-Chef Philipp Welte: Furchtbare Diagnose – Krebs! Oder ist er doch Wassermann?» Das ist große Unterhaltung. Wenn er Erdogan einen «Ziegenficker» nennt, erkenne ich darin weder Mut noch Kunst.
Weltwoche: Das ist Humor mit dem Flammenschwert.
Gottschalk: Und ich bin der Typ mit der Wunderkerze in der Hand.
Weltwoche: Die Frage ist doch: Was ist das Motiv des Humors? Wenn eine dicke Frau in einer Fernsehshow auftritt, denkt doch jeder: «Mein Gott, ist die dick.» Der gute Moderator muss das ansprechen, ohne dass die Milch sauer wird. Sonst bleibt alles verklemmt.
Gottschalk: Das war immer mein Ansatz. Das Wort «dick» käme mir dabei nie über die Lippen. Einer Montserrat Caballé bot ich mal eine Ballettstunde als Wetteinsatz an. Und sie fand es lustig. Heute mache ich solche Witze zu Hause. Fröhlicher ist die Welt nicht geworden. Meine Generation hatte noch eine gewisse Lust an der reinen Albernheit.
Weltwoche: Das Heft Mad mit Alfred E. Neumann. Oder Woody Allens gigantische Brust.
Gottschalk: Oder der Wahnwitz der Monty Pythons. Solche Sachen haben mich geprägt. Heute herrscht eine Gefühligkeit, die mir fremd ist. Nach einem Volksmusik-Konzert schreiben die Leute auf Instagram: «Gänsehaut pur». Woher soll die kommen? Gänsehaut habe ich beim «Te Deum», wenn die Orgel braust, die Glocken läuten und das Sonnenlicht durchs Kirchenfenster flutet.
Weltwoche: Sie erwähnten vorhin Ihre Wurstigkeit. Offenbar spielt Disziplin schon auch eine Rolle.
Gottschalk: Ich bin Freak und Spießer.
Weltwoche: Sie leben seit zwei Jahren mit Ihrer neuen Partnerin in Baden-Baden. Was ist das Interessanteste an Deutschland?
Gottschalk: Es ist schon ein Armutszeugnis für Deutschland, dass ich zu den interessanteren Typen hier zähle.
Weltwoche: Gibt es keine Typen mehr?
Gottschalk: Mir fallen nur alte Säcke ein. Udo Lindenberg ist ein Typ, Herbert Grönemeyer ist ein Typ. Aber ist Tim Bendzko ein Typ? Oder Matthias Schweighöfer ein Wilder? Ich habe erst mit siebzig Werbung für ein Möbelhaus gemacht, der Matthias schon mit vierzig.
Weltwoche: Leiden Sie unter einem Aufmerksamkeitsdefizit?
Gottschalk: Nein, es ist der Spaß an der Sache. Ich moderiere auch, wenn das Licht im Kühlschrank angeht.
Weltwoche: Sie sind eine Verkörperung der Bundesrepublik.
Gottschalk: Ja, auch wenn mich Leute aus dem Ausland fragen, ob ich wirklich Deutscher sei. Mir fehlt diese «German Angst», auch diese Korrektheit. Ich war mit Deutschland immer zufrieden und Deutschland mit mir. Heute habe ich manchmal das Gefühl, wir beide, Deutschland und ich, hätten die beste Zeit hinter uns.
Weltwoche: Ihr Ziel müsste doch sein, «Wetten, dass …?» wieder hochzubringen.
Gottschalk: Nein, die Nummer ist erledigt.
Weltwoche: Warum?
Gottschalk: Früher saßen da Günter Netzer und die Spice Girls, und der Opa wusste, wer die Spice Girls sind, und die Enkel wussten, wer Günter Netzer ist. Heute muss man schon mir die Gäste erklären. Zum Glück sprang ich rechtzeitig ab. So wird man zur Legende.
Weltwoche: Das heißt, es bleibt bei diesem einen Auftritt?
Gottschalk: Ja.
Weltwoche: Wer ist der neue Gottschalk?
Gottschalk: Den braucht keiner. Mein Arbeitsplatz hat sich erledigt. Es gibt keine zwanzig Millionen Menschen mehr, die am Samstagabend dieselbe Show sehen wollen.
Weltwoche: Das ist doch eine Kunstform, die immer gefragt ist. Sie sind der Disney-Typ, der Unterhalter, der es fertigbringt, mit Prominenten so zu plaudern, dass alle – Gäste und Zuschauer – hinterher ein gutes Gefühl haben.
Gottschalk: Wenn ihr das so sieht, freut mich das. Es nützt aber nichts. Die Zeiten haben sich geändert.
Weltwoche: Wer waren Ihre Lieblingsgäste?
Gottschalk: Paul McCartney und Sean Connery, die Helden meiner Jugend.
Weltwoche: Wir hatten gerade eine Bond-Story. Die Zeile lautete: «Ruhe in Frieden, James Bond. Er trotzte allen Bösewichten, nun erledigt ihn der Zeitgeist.»
Gottschalk: Richtiger Gedanke. Das könnt ihr bei mir auch drüberschreiben.
Weltwoche: Sie haben doch insgeheim das Gefühl, Sie seien immer noch der Beste.
Gottschalk: Gut, das stimmt. Jeder Mann hat das Gefühl, er sei der beste Liebhaber. Also, ich halte mein Angebot immer noch für attraktiv und erhalte es aufrecht.
Weltwoche: Und wenn es niemand mehr will?
Gottschalk: Die Natur hat es so eingerichtet, dass du irgendwann sagst: «Ich verstehe die Filme nicht mehr, ich kenne keinen Promi mehr, ich glaube, ich habe es hinter mir.» Ohne dieses Gefühl würdest du mit siebzig depressiv. Wenn du findest, um dich herum sei alles beendet, fällt dir der Abschied weniger schwer.
Das komplette Interview findest du auf weltwoche.ch