Was ist Kunst – und wofür ist sie wichtig?
Video-Statistiken
Tauche ein in die faszinierende Welt der Kunst und entdecke ihre vielfältigen Definitionen und Bedeutungen. Was macht ein Objekt zu Kunst? Ist es das Können des Künstlers oder die Idee dahinter? Wie hat Kunst unsere Gesellschaft geprägt und warum erschaffen Menschen seit Jahrtausenden künstlerische Werke? Erfahre, wie Kunst von einem Pissoir bis zu prähistorischen Höhlenmalereien reicht und welche überraschenden Parallelen es zum Tierreich gibt.
Kerninhalte
- Die Definition von Kunst hat sich im Laufe der Zeit stark verändert – von handwerklichem Können zu konzeptionellen Ideen
- Marcel Duchamps Urinal revolutionierte 1917 das Kunstverständnis und zeigte, dass der Kontext ein Alltagsobjekt zu Kunst machen kann
- Die ältesten bekannten Kunstwerke wie der Löwenmensch sind bis zu 40.000 Jahre alt und zeugen von früher menschlicher Kreativität
- Kunst ist in allen menschlichen Kulturen präsent und dient dem sozialen Zusammenhalt sowie der Überlieferung von Geschichten
Analyse und Gedanken
- Die Parallelen zwischen künstlerischem Ausdruck und Balzverhalten im Tierreich deuten auf evolutionäre Ursprünge der Kunst hin
- Kunst kann als eine Form der Symbolsprache verstanden werden, die zur Kommunikation komplexer Ideen dient
- Kreatives Schaffen hilft Menschen, persönliche Probleme zu bewältigen und den Geist zu klären
- Im Gegensatz zu vielen anderen menschlichen Aktivitäten hat Kunst oft keinen unmittelbaren praktischen Nutzen
- Der Wert von Kunst wird nicht nur durch handwerkliches Können bestimmt, sondern auch durch kulturellen Kontext und konzeptionelle Tiefe
Fazit
Kunst ist ein universelles Phänomen, das über bloßes handwerkliches Können hinausgeht und als kulturelles Bindemittel, Kommunikationsmittel und persönlicher Ausdruck fungiert – sie spiegelt unsere Menschlichkeit wider und verbindet uns über Zeiten und Kulturen hinweg.
Ist DAS Kunst? (00:00)
Die grundlegende Frage nach dem Wesen der Kunst wird anhand eines ungewöhnlichen Kunstwerks von David Shrigley erörtert. Der Sprecher stellt die traditionelle Vorstellung von Kunst in Frage und zeigt, wie sich unser Kunstverständnis von der reinen handwerklichen Fertigkeit entfernt hat. Dabei wird deutlich, dass moderne Kunst oft mehr durch ihre konzeptionelle Idee als durch technische Perfektion besticht. Diese Verschiebung der Kunstwahrnehmung führt zu einer spannenden Diskussion darüber, was in unserer heutigen Gesellschaft als Kunst anerkannt wird und welche Kriterien dabei eine Rolle spielen.
Kommt „Kunst” von „können”? (00:32)
Der etymologische Ursprung des Wortes “Kunst” wird untersucht, der tatsächlich vom Wort “können” abstammt und ursprünglich handwerkliches Geschick bezeichnete. Diese traditionelle Definition steht im Kontrast zu modernen Kunstwerken, die nicht unbedingt technisches Können erfordern. Der Sprecher erklärt, wie sich das Kunstverständnis im Laufe der Zeit gewandelt hat und heute viel breiter gefasst wird. Besonders interessant ist die Erkenntnis, dass Kunst heute mehr durch ihren kulturellen Kontext und die dahinterstehende Idee definiert wird als durch die handwerkliche Ausführung. Diese Entwicklung hat zu einer Demokratisierung der Kunst geführt, die nun vielfältigere Ausdrucksformen umfasst.
Wie aus einem Pissoir Kunst wurde (02:28)
Marcel Duchamps revolutionäres Kunstwerk “Fountain” von 1917 wird als Wendepunkt in der Kunstgeschichte vorgestellt. Duchamp nahm ein gewöhnliches Urinal, signierte es mit dem Pseudonym “R. Mutt” und erklärte es zum Kunstwerk, was die Kunstwelt schockierte und grundlegend veränderte. Diese als “Ready-made” bezeichnete Kunstform stellte die Frage, ob der Kontext ein Alltagsobjekt zu Kunst machen kann. Als modernes Beispiel wird Maurizio Cattelans “Comedian” erwähnt – eine an die Wand geklebte Banane, die für 120.000 Dollar versteigert wurde. Diese Beispiele verdeutlichen, wie sich die Definition von Kunst kontinuierlich weiterentwickelt und immer wieder neu verhandelt wird.
Seit wann gibt es Kunst? (03:46)
Die Ursprünge der Kunst werden anhand archäologischer Funde untersucht, die bis zu 40.000 Jahre zurückreichen. Ein faszinierendes Beispiel ist ein in Südafrika entdeckter Kieselstein mit natürlichem Gesichtsmuster, der möglicherweise von frühen Menschen gesammelt wurde. Der Löwenmensch, eine aus Mammutstoßzahn geschnitzte Figur, gilt als eines der ältesten bekannten Kunstwerke und zeigt die frühe Fähigkeit zur Abstraktion. Die berühmten Höhlenmalereien von Lascaux und Chauvet demonstrieren die künstlerischen Fähigkeiten unserer Vorfahren und werfen Fragen nach der Bedeutung und Funktion dieser frühen Kunstwerke auf. Diese Funde belegen, dass künstlerischer Ausdruck tief in der menschlichen Natur verwurzelt ist.
Gibt es Kunst auch im Tierreich? (05:56)
Die Verbindung zwischen Kunst und tierischem Verhalten wird anhand des Paradiesvogels illustriert, der mit kunstvollen Tanzdarbietungen Weibchen beeindruckt. Diese Parallele führt zur Theorie, dass menschliche Kunst ähnliche evolutionäre Ursprünge haben könnte wie das Balzverhalten bei Tieren. Der Sprecher erläutert, wie kreative Ausdrucksformen als Mittel dienen könnten, um Intelligenz, Gesundheit und genetische Fitness zu demonstrieren. Gleichzeitig wird die Funktion von Kunst als Symbolsprache betont, die es ermöglicht, komplexe Ideen und Erfahrungen zu kommunizieren. Diese evolutionsbiologische Perspektive bietet einen interessanten Erklärungsansatz für den universellen Drang des Menschen, sich künstlerisch auszudrücken.
Wie Kunst der Gemeinschaft nützte (07:08)
Die soziale Dimension der Kunst wird beleuchtet und ihre Bedeutung für den Zusammenhalt menschlicher Gemeinschaften hervorgehoben. Die Anthropologin Ellen Dissanayake betont, dass Kunst in allen bekannten menschlichen Kulturen präsent ist und eine wichtige soziale Funktion erfüllt. Künstlerischer Ausdruck in Form von Musik, Tanz und bildender Kunst schafft gemeinsame Erfahrungen und stärkt die Bindungen innerhalb der Gruppe. Diese gemeinschaftsbildende Funktion könnte entscheidend zur Entstehung und zum Fortbestand größerer menschlicher Gesellschaften beigetragen haben. Die universelle Verbreitung von Kunst in allen Kulturen unterstreicht ihre fundamentale Bedeutung für die menschliche Sozialstruktur und kulturelle Identität.
Kunst in Ritualen (08:37)
Die Rolle der Kunst in rituellen Praktiken wird untersucht, wobei ihre Funktion als Mittel zur Verarbeitung und Weitergabe wichtiger Erfahrungen im Vordergrund steht. Rituelle Kunst half frühen Gemeinschaften, bedeutsame Ereignisse festzuhalten und kollektive Erinnerungen zu bewahren. Der Sprecher erklärt, wie künstlerische Darstellungen als eine Form des externen Gedächtnisses fungierten, lange bevor die Schrift erfunden wurde. Diese rituelle Dimension der Kunst zeigt sich auch in prähistorischen Höhlenmalereien, die möglicherweise Teil spiritueller Praktiken waren. Die Verbindung zwischen Kunst und Ritual verdeutlicht, wie künstlerischer Ausdruck dazu beitrug, kulturelles Wissen zu bewahren und weiterzugeben.
Wie sich Kunst positiv auswirken kann (09:25)
Die therapeutischen und persönlichen Vorteile künstlerischen Schaffens werden vorgestellt. Kreative Tätigkeiten können helfen, persönliche Probleme zu bewältigen, den Geist zu klären und emotionale Zustände auszudrücken. Der Sprecher betont, dass Kunst im Gegensatz zu vielen anderen menschlichen Aktivitäten oft keinen unmittelbaren praktischen Nutzen hat, sondern um ihrer selbst willen existiert. Diese zweckfreie Natur der Kunst ermöglicht eine besondere Form der Selbstreflexion und des emotionalen Ausdrucks. Abschließend wird die Idee präsentiert, dass Kunst uns erlaubt, über uns selbst hinauszuwachsen und Verbindungen zu anderen Menschen und Kulturen herzustellen, was ihre zeitlose Bedeutung für die menschliche Erfahrung unterstreicht.
Ralph Caspers malt gerne, und er hat einen besonderen Kunstgeschmack. Das sieht man schon an dem Kunstwerk, das in seinem Büro hängt: ein Elefant, der auf einem Auto steht – es erinnert ein bisschen an eine Kinderzeichnung. Aber ist das wirklich Kunst? Was ist Kunst – und warum machen Menschen sowas?
Sprachlich betrachtet kommt das Wort „Kunst“ tatsächlich von „können“. Es ist ein sogenanntes Verbalabstraktum; also ein aus einem Verb gebildetes Substantiv, das für etwas nicht Greifbares steht. Laut Duden umfasst Kunst das “schöpferische Gestalten mit verschiedensten Materialien oder den Mitteln der Sprache und Töne – in Auseinandersetzung mit Natur und Welt”. Aber je nachdem, wen man fragt, hat Kunst ganz unterschiedliche Bedeutungen.
Das macht auch dieses Beispiel aus dem Jahr 1917 deutlich: Damals sorgte der Künstler Marcel Duchamp für Aufsehen. Er reichte ein gewöhnliches, industriell gefertigtes Pissoir bei einer Ausstellung in New York als Objekt ein. Obwohl sein „Kunstwerk“ zunächst abgelehnt wurde, ist es heute im Kunstmuseum zu sehen. Wie aus diesem Alltagsgegenstand Kunst wurde, erzählt euch Ralph im Video.
Doch Kunst ist nicht nur ein modernes Phänomen. Die Kunstgeschichte beginnt schon viel früher: Je nach Sichtweise sind die ersten Kunstwerke knapp drei Millionen Jahre alt; zum Beispiel der „Stein von Makapansgat“, der an ein Gesicht erinnert. Es wurde allerdings nicht von Menschen hergestellt, sondern ist zufällig entstanden. Das Besondere: Wissenschaftler gehen davon aus, dass der seltsam geformte Stein gezielt gesammelt und dann mit in die Höhle genommen wurde. Und genau die Tatsache, dass eine Auswahl stattgefunden hat, lässt nach der Definition von Duchamp die Aussage zu, dass dieser Stein Kunst ist – sozusagen Ur-Kunst.
Unstrittig als Kunst einzuordnen ist hingegen der “Löwenmensch”: eine Schnitzerei aus dem Stoßzahn eines Mammuts, die in einer Höhle in Baden-Württemberg gefunden wurde und vermutlich 40.000 Jahre alt ist. Im Video seht ihr noch weitere Beispiele für solche sehr alten Kunstwerke, wie zum Beispiel Höhlenmalereien.
Aber Kunst zeigt sich nicht nur in menschlichen Schöpfungen. Auch in der Tierwelt findet man Erscheinungen, wo man überlegen kann, ob sie nicht vielleicht Kunst sind; zum Beispiel Balzrituale und kunstvolle Nisthöhlen.
Die allgegenwärtige Präsenz von Kunst in allen bekannten Gesellschaften ist ein Hinweis darauf, dass Kunst eine wesentliche Rolle für den Zusammenhalt in Gemeinschaften spielt. Das gilt insbesondere auch für Kunst, die zusammen ausgeübt wird; also etwa Musik, Tanz oder kunstvolle Begräbnisrituale.
*Kapitel*
0:00 Ist DAS Kunst?
0:32 Kommt „Kunst“ von „können“?
2:28 Wie aus einem Pissoir Kunst wurde
3:46 Seit wann gibt es Kunst?
5:56 Gibt es Kunst auch im Tierreich?
7:08 Wie Kunst der Gemeinschaft nützte
8:37 Kunst in Ritualen
9:25 Wie sich Kunst positiv auswirken kann
Autoren: Dirk Gilson, Ralph Caspers
Schnitt und Grafik: Klaus Wache
Sounddesign: Klaus Wache
Redaktion: Wobbeke Klare
*Unsere wichtigsten Quellen*
Homo Aestheticus: Where Art Comes From and Why;
Ellen Dissanayake, 1995 (ISBN: 9780295974798)
PDF: https://mnuai.ro/wp-content/uploads/2023/05/null‑2–2‑Homo-Aestheticus-Where-Art-Comes-From-and-Why.pdf
Mind: an essay on human feeling;
Susanne Langer, 1967
https://archive.org/details/mindessayonhuman00lang/
The sexual selection of creativity: A nomological approach
in: Frontiers in Psychology, 2023
https://journals.sagepub.com/doi/full/10.1177/147470491201000403
The Story of Art;
Ernst H. Gombrich, 1995 (ISBN: 978–0714832470)
Ausgabe von 1951: https://archive.org/details/in.ernet.dli.2015.29158/page/n3/mode/2up
Performance of Music Elevates Pain Threshold and Positive Affect: Implications for the Evolutionary Function of Music;
in: Evolutionary Psychology, 2012
https://journals.sagepub.com/doi/full/10.1177/147470491201000403
Der Kiesel von Makapansgat. Früheste Urkunst der Welt?
in: Anthropos, 1999
https://www.jstor.org/stable/40465702
Der Löwenmensch;
http://www.lonetal.net/loewenmensch.html
A 36000-Year-Old Volcanic Eruption Depicted in the Chauvet-Pont d’Arc Cave (Ardèche, France)?
in: PLoS ONE, 2016
https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0146621
Hat dir das Video gefallen? Dann abonniere jetzt unseren Quarks-Kanal mit Ralph Caspers @DimensionRalph auf YouTube!
Und hier findest du – auch von Quarks – unser Studio Q: @Quarks
Unsere Kollegen von den Quarks Science Cops gibt’s hier: @quarkssciencecops
@wdr
#kunst #kunstgeschichte
Top 25 Kommentare
Ich bin sowas wie Künstlerin/Illustratorin, beruflich, und da wird jetzt ganz viel geguckt was man jetzt mit AI machen kann 🙁 ich werd vermutlich nicht arbeitslos, aber der Inhalt meiner Arbeit wird möglicherweise deutlich freudloser. Und hinzu kommt: Die Leute staunen dann über die Beeindruckende Technologie, und sagen wie toll das ja ist. Aber was ein Mensch sich durch über 20 Jahre Üben draufgeschafft hat kriegt dann keine Anerkennung oder Wertschätzung mehr. Das Video war daher etwas Balsam für die Seele.
Großes Lob und Wertschätzung, lieber Ralph!! 🥳🙏🏼
Ganz lieben Gruß aus der wunderschönen Rureifel! 💚
Scheinbar ist nicht jedem bewusst, dass Musik auch Kunst ist.
Aber bei Musik fragt sich keiner, wozu wir Musik eigentlich brauchen.
An Musik will niemand ein Haar krümmen.
Aber bei Gemälden, wo man halt einfach keine Ahnung und keinen Bezug zu hat, da wirft man gerne mit Kritik um sich als wären es billige Kamelle.
Können wir bitte mal über “Kunstunterricht” in der Schule sptechen?
Allein die natürliche Entstehung unserer Welt und verschiedenen Spezies bis zum Mensch die endstanden sind und unserem Universum das ist auch eine Art Kunstform! 🙂
Ich Handarbeite viel. Je nachdem ob ich dabei nachdenken oder Bücher hören oder abschalten will, wähle ich mein Projekt. Und das ist dann später nicht nur Kunst(voll) sondern auch noch als Kleidungsstücke sinnvoll, warm und kuschelig. Oder fur die Kinder zum spielen. Oder eben doch nur Deko.
Kunst sollte kein Spielfeld für unterschiedliche Geschmäcker sein. Im Gegenteil, davon lebt sie doch.
Kunst ist POWER. Und kann wunderschön sein. Kunst kann sozialpolitisch sein. Kunst kann aufklären. Abschreckende, hässliche Kunst.
Kunst kann zusammenbringen.
Danke für deinen künstlerischen Beitrag! Wie immer sehr facettenreich.
Dein Fan Koni
😊